29. März 2020

Unser Zusammenleben nach der Corona-Krise wird jetzt entschieden



Ein Aufruf von Grüne Jugend Frankfurt, Jusos Frankfurt, Linksjugend [‚Solid] Frankfurt, DGB Jugend Frankfurt und Fridays for Future Frankfurt

Das Corona-Virus stellt derzeit unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Einschränkungen im eigenen und öffentlichen Leben widersprechen unserem allgemeinen Freiheitsverständnis. In einer freien und demokratischen Gesellschaft war es bislang undenkbar, dass der Staat seine Bürger*innen auffordert, zuhause zu bleiben und damit das öffentliche Leben nahezu zum Erliegen gebracht wird. Dennoch ist es angesichts der großen Gefahr, die von diesem Virus ausgeht, nötig, diese Maßnahmen zeitlich begrenzt zu ergreifen.

Ein Blick nach Italien macht deutlich, was passiert, wenn ein Gesundheitssystem überlastet ist und Ärzt*innen entscheiden müssen, wer auf die Intensivstation gebracht wird und wem nicht mehr geholfen werden kann. Unser Gesundheitssystem kann einen ungebremsten Anstieg von Infizierten nicht dauerhaft auffangen. Deshalb ist es unabdingbar, den physischen Kontakt mit anderen Menschen weitestgehend zu minimieren, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Dafür ist jetzt gesamtgesellschaftliches, vernünftiges sowie verantwortliches Handeln notwendiger denn je. Dies bedeutet ein solidarisches Miteinander nicht nur zu predigen, sondern zu leben. In einer solchen Krise müssen parteipolitische Differenzen zwischen Demokrat*innen beiseitegelegt werden. Deshalb appellieren wir als breites Bündnis politischer und zivilgesellschaftlicher Jugendorganisationen an die Vernunft unserer Mitbürger*innen, wenn möglich zuhause zu bleiben.

Die bereits in Abstimmung von Bundesregierung und den Landesregierungen in Kraft getretenen Kontaktverbote und Beschränkungen von öffentlichen Versammlungen auf die Anzahl von zwei Personen inkl. der Ausnahmen für Familien sind eine Vorstufe zu Ausgangssperren. Um Ausgangssperren zu verhindern und ein minimales Maß an Freiheit weiterhin zu ermöglichen, müssen nun alle an einen Strang ziehen und sich an die aktuellen Vorgaben halten. Besonderen Schutz bedürfen ältere und vorerkrankte Menschen, die zu den Risikogruppen gehören. Daher wollen wir auch dazu auffordern, gerade ihnen zu helfen, um tägliche Besorgungen zu erledigen, wie z.B. den Einkauf. Wir freuen uns sehr, dass sich bereits einige solidarische Gruppen in den verschiedenen Städten und Stadtteilen gebildet haben.

Diese Krise hat uns auch gezeigt, dass der Neoliberalismus und der ungezügelte Markt ungeeignet sind, um Lösungen für die Menschen und die Bewältigung der Klimakrise zu finden. In ganz Europa wird die sogenannte Austeritätspolitik beendet, um die Bevölkerung vor einer Wirtschaftskrise zu schützen. Auch in Deutschland ist die „Schwarze Null“ gefallen. Sogar über die Verstaatlichungen von Wirtschaftszweigen wird nun nachgedacht.

Wir wünschen uns, dass auch der Kampf gegen den Klimawandel mit diesem Elan angegangen wird. Zurzeit kursieren Bestrebungen in Politik und Wirtschaft, die aktuellen Klimaschutzmaßnahmen, wie z.B. das europäische Klimaschutzgesetz, aufgrund der Corona – Krise wegen den Wirtschaftsfolgen für Unternehmen und verschiedene Industriezweige zu verschieben. Dem stellen wir uns vehement entgegen. Klimaschutzmaßnahmen dürfen nicht mehr aufgeschoben werden, denn die Klimakrise wartet nicht und wird sich ansonsten weiter verschärfen. Verschiedene Krisen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen mit der gleichen Konsequenz beantwortet werden.

In unser aller Bewusstsein ist nun aber endlich geraten, welche Berufsgruppen unsere höchste Anerkennung verdienen. In Zeiten wie diesen wird unser Gemeinwesen durch bezahlte sowie unbezahlte soziale Arbeit am Leben erhalten. Menschen die beispielsweise im Bereich Carearbeit, im Einzelhandel, im Transportwesen, oder bei der Müllabfuhr sind diejenigen, die systemrelevante Arbeiten erledigen und diese Aufzählung ist bei weitem nicht abschließend. Es sind genau diejenigen Berufstätigen, die im Normalfall zu wenig Anerkennung für ihre wertvolle Arbeit erfahren. Während für viele Menschen die größte Herausforderung während der Corona-Krise die soziale Isolation im Home-Office darstellt, setzen sich diese Berufsgruppen tagtäglich zum Teil ohne ausreichenden Schutz der Gefahr aus, an Covid-19 zu erkranken, um die Funktionalität unseres Gemeinwesens zu sichern. Da reicht es nicht, den Menschen nur mit Klatschen vom Balkon zu danken! Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, höhere Löhne und einen besseren Personalschlüssel in den genannten und allen weiteren, wirklich systemrelevanten Berufen, aber vor allem im Bereich der Carearbeit. Gerade in diesen Berufen stemmen Frauen einen großen Teil der Arbeit. Die Aufwertung und eine gleichmäßige Verteilung in der Gesellschaft muss daher Aufgabe einer sozialgerechten Politik sein. Nur so honorieren wir ihre außergewöhnliche Leistung in dieser Ausnahmesituation. Wir fordern, dass dieser Aspekt ein elementarer Bestandteil in den beschlossenen Rettungspaketen anlässlich der Corona-Krise wird. Und auch wenn es wichtig ist, Unternehmen zu unterstützen, um finanzielle Einbußen zu minimieren, ist es umso wichtiger, auch die Zivilgesellschaft vor Auswirkungen der Krise zu schützen. Dazu gehört sowohl der Schutz von Mieter*innen vor Kündigung oder dass ihnen das Wasser, die Beheizung oder der Strom ihrer Wohnung nicht abgestellt wird. Bei der wichtigen Unterstützung von Unternehmen dürfen die Rechte von Arbeitnehmer*innen nicht beschnitten werden. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise treffen vor allem Beschäftigte im Niedriglohnbereich, die zurzeit entweder von 60/67% Kurzarbeiter*innengeld leben müssen, durch Druck der Geschäftsführung in Aufhebungsverträge gezwungen oder gekündigt werden. Kurzarbeit ist ein Mittel zur Krisenbewältigung, die Lasten dafür müssen gerecht verteilt werden. Das Kurzarbeiter*innengeld muss auf mindestens 80% erhöht werden. Die eingesparten Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber*innen müssen an die Beschäftigten weitergegeben werden.

Die Lösung der Corona-Krise und die Bekämpfung des Coronavirus kann nur gemeinsam gelingen. Es braucht nicht nur kluge Entscheidungen der Politik, es kommt auf jede*n Einzelne*n an. Es dürfen Fehler gemacht werden, aber sich draußen aufzuhalten, die Mindestabstände nicht einzuhalten und Partys zu feiern, sind keine Fehler – es ist unverantwortliches, egoistisches und sozial ignorantes Handeln. Dies sind grob fahrlässige Aktionen und setzen anderen Menschen erheblichen Gefahren aus. Ein solches Verhalten verurteilen wir zutiefst. Deshalb noch einmal unsere Bitte: Verlegt eure soziale Aktivitäten nach drinnen und findet dafür innovative Programme. Viele Organisationen organisieren OnlineMeetings, Webinare und vieles mehr. Die oberste Parole in diesen Zeiten muss heißen: #BLEIBTZUHAUSE und #FLATTENTHECURVE. Falls ihr mit der momentanen Situation nicht ganz klarkommt und ihr euch seelisch unwohl fühlt, könnt ihr die Telefonseelsorge unter folgenden Telefonnummern erreichen: 0800/111 0 111 sowie 0800/111 0 222 und 116 123



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